Raffaela Witting ist Psychotherapeutin und Psychologin mit eigener Praxis in Zürich.
Was ist ein Burn-On-Syndrom?
Burn On beschreibt einen Zustand chronischer Erschöpfung, der zu psychischen und körperlichen Beschwerden führt. «Betroffene wirken äusserlich funktionsfähig und erbringen hohe Leistungen, fühlen sich aber innerlich ausgelaugt», erklärt Psychologin Raffaela Witting. Betroffen seien zum Beispiel topmotivierte Menschen, die ihren Job lieben, ständig Überstunden machen und sich keine Zeit für Erholung nehmen. Oder Mütter und Väter, die im ständigen Spagat zwischen Beruf und Familie und dem gesamten Mental Load stehen.
«Betroffene wirken äusserlich funktionsfähig und erbringen hohe Leistungen, fühlen sich aber innerlich ausgelaugt.»
Der Begriff Burn On-Syndrom wurde erst vor kurzem von den Ärzten und Psychologen Timo Schiele und Bert te Wildt geprägt, so dass es noch keine umfassenden Studien dazu gibt. Für Betroffene ist es aber wichtig, dass es endlich einen Begriff für das gibt, was sie erleben.
Burn On-Symptome: Wie fühlt sich Dauerstress an?
Betroffene von Burn On stellen trotz Dauerstress die Arbeit in den Vordergrund – oft auf Kosten von Gesundheit, Freizeit- und Privatleben. «Man glaubt, alles im Griff zu haben, ist aber ständig am Limit», sagt Raffaela Witting, «wie ein Gummiband, das immer weiter gedehnt wird, bis es reisst und der Zusammenbruch droht.»
«Man glaubt, alles im Griff zu haben, ist aber ständig am Limit.»
Typische Warnsignale:
- Schlafprobleme: Schwierigkeiten beim Ein- und Durchschlafen, unruhiger Schlaf
- Innere Unruhe: ständige Nervosität und Anspannung, Unfähigkeit abzuschalten
- Angstgedanken und Panikattacken: Herzrasen, Schweissausbrüche
- Antriebslosigkeit: Erschöpfung, Mangel an Motivation und Lebensfreude
- Unzufriedenheit: Gefühl, dass nichts genug ist, Entfremdung von eigenen Werten und Zielen
- Psychosomatische Schmerzen: Kopf-, Rücken oder Magenschmerzen, Muskelverspannungen, Migräne
- Körperliche Beschwerden: Gefässerkrankungen und Bluthochdruck
Was ist der Unterschied zwischen Burn On und Burn Out?
Burn On ist ein schleichender Prozess, bei dem die Betroffenen über einen längeren Zeitraum eine anhaltende, aber noch bewältigbare Erschöpfung erleben. Sie funktionieren weiter, sind aber ständig am Limit. Die Überlastung ist moderat und wird nicht sofort als gefährlich erkannt, so dass es oft lange dauert, bis der eigene Zustand realisiert wird.
Burn Out hingegen tritt akut auf. Nach intensiver, langer Belastung kommt es plötzlich zu einem Zusammenbruch, begleitet von erheblichem Leistungsabfall und starker emotionaler Erschöpfung. Normale Alltagsaufgaben werden zur unüberwindbaren Herausforderung.
Burn On | Burn Out | |
Ursache | Langanhaltender, schleichender Stress | Akuter, intensiver Stress über längere Zeit |
Symptome |
Stetige Erschöpfung, innere Unruhe, Anspannung, |
Plötzliche Erschöpfung, emotionale Leere, Verlust von Motivation und Sinn, starke Antriebslosigkeit |
Verlauf | Schleichender Prozess mit zunehmender Verschlimmerung | Rascher, intensiver Zusammenbruch nach anhaltender Überbelastung |
Gefühl | Dauerhafte, moderate Überlastung ohne richtige Erholung | Totale Erschöpfung |
Was sind die Ursachen von einem Burn On?
Burn On entsteht durch eine Kombination verschiedener Faktoren. Chronischer Stress und beruflicher Druck sind zentrale Ursachen, oft verstärkt durch persönliche Eigenschaften wie Perfektionismus und hohe Ansprüche an sich selbst. Fehlende Work-Life-Balance und mangelnde soziale Unterstützung tragen ebenfalls dazu bei. «Wer bereits in der Schulzeit das Gefühl entwickelt, nur durch Leistung Anerkennung zu erlangen, ist besonders gefährdet, dies auch im Berufsleben zu erleben», sagt Raffaela Witting.
Häufige Ursachen von Burn On
- Chronischer Stress: Langfristige, anhaltende Belastung
- Beruflicher Druck: Hohe Anforderungen und Konkurrenz, mangelnde Wertschätzung
- Persönliche Faktoren: Perfektionismus, hohe Selbstansprüche, Schwierigkeiten Nein zu sagen
- Work-Life-Balance: Ungleichgewicht zwischen Beruf und Privatleben
- Gesellschaftliche Faktoren: Konsumdruck, hohes Lebenstempo
Welche Folgen hat das Ignorieren eines Burn On?
Ein unerkanntes Burn On-Syndrom kann schwerwiegende gesundheitliche und soziale Folgen haben. Dauerstress kann zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Bluthochdruck und chronischen Schmerzen führen. Auf psychischer Ebene können Depressionen, Angststörungen und schwere Schlafprobleme auftreten. Langfristig kann Burn On in einen Burn-out münden, der zu einem totalen Zusammenbruch führt, so dass berufliche und soziale Verpflichtungen kaum mehr erfüllt werden können.
Wenn Stress eskaliert und Burn Out entsteht
«Nehmen wir zum Beispiel eine Marketingmanagerin, die ihren Job mit Leidenschaft macht», beschreibt Raffaela Witting einen hypothetischen Fall. «Sie ignoriert Symptome wie Schlafprobleme, Kopfschmerzen und innere Anspannung, vernachlässigt Freizeitaktivitäten und lehnt Einladungen ab, um sich auf die Arbeit zu konzentrieren, die ihr immer noch Spass macht. Sie glaubt, alles im Griff zu haben. Kurz vor einer wichtigen Präsentation bekommt sie eine Panikattacke und bricht zusammen. Im Krankenhaus heisst es: Burn Out. Die Folgen sind nicht nur eine schwere Gesundheitskrise, sondern auch ein Karriereknick und der Verlust sozialer Beziehungen.»
Wie kann ein Burn On behandelt werden?
Erkennen und Akzeptieren sind die ersten Schritte im Umgang mit einem Burn On. Oft ist es jedoch schwierig, die eigenen Grenzen rechtzeitig zu erkennen – oder gar professionelle Hilfe aufzusuchen, wenn man allein nicht weiterkommt.
Bei Burn On liegt der Fokus der Psychotherapie auf dem Umgang mit Stress und dem Aufbau von Resilienz. «Kognitive Verhaltenstherapie kann helfen, perfektionistische oder überhöhte Ansprüche an sich selbst zu hinterfragen und schrittweise zu verändern», sagt Raffaela Witting. Die Betroffenen lernen dabei, sich ihrer eigenen Bedürfnisse und Grenzen bewusst zu werden und rechtzeitig gegenzusteuern, bevor die Erschöpfung überhandnimmt.
Ist Burn On eine anerkannte Krankheit?
Burn On und Burn Out sind keine offiziell anerkannten Krankheiten im medizinischen Sinne. Sie werden in der Internationalen Klassifikation der Krankheiten (ICD) nicht als eigenständige Diagnosen geführt. Stattdessen werden die damit verbundenen Symptome oft unter Kategorien wie Belastungs- und Anpassungsstörungen oder depressive Störungen eingeordnet.
Wann sollte man professionelle Hilfe suchen?
Professionelle Hilfe ist ratsam, wenn Erschöpfung, innere Unruhe und Überforderung trotz eigener Bemühungen nicht nachlassen oder sich verschärfen. Wenn Stress alltägliche Aufgaben, Beziehungen oder berufliche Leistung beeinträchtigt, ist dies ebenfalls ein Warnsignal. Auch bei Anzeichen eines drohenden Zusammenbruchs oder bei körperlichen Beschwerden wie langanhaltender Schlaflosigkeit sowie psychischen Problemen wie Depressionen und Angstzuständen sollte Unterstützung gesucht werden. Dabei können Online-Psychotherapien eine gute Lösung sein, um rechtzeitig zu handeln und Wartezeiten auf einen Therapieplatz zu vermeiden.
Wie kann man einem Burn On vorbeugen?
Um einem Burn On vorzubeugen oder bei einem beginnenden Burn On gegenzusteuern, ist es wichtig, einen gesunden Ausgleich zwischen Arbeit und Freizeit zu finden. «Setzen Sie sich realistische Ziele und nutzen Sie Entspannungstechniken wie Atemübungen», empfiehlt Raffaela Witting. «Achten Sie auf eine ausgewogene Ernährung, ausreichend Schlaf und regelmässige Bewegung – ohne Übertreibung. Planen Sie kurze Pausen während des Arbeitstags ein und vermeiden Sie es, Freizeitaktivitäten als Pflichtprogramm zu sehen. Eine gesunde Balance zwischen Aktivität und Ruhe ist entscheidend.»
Burn-On-Prävention: Tipps und Strategien
Stressmanagement
- Stress abbauen: Langfristige Strategien sind entscheidend, um gesund und ausgeglichen zu bleiben. Machen Sie Stressmanagement zu einem festen Bestandteil Ihres Lebens.
- Prioritäten setzen: Konzentrieren Sie sich auf die wichtigsten Aufgaben und lassen Sie weniger dringende Dinge zunächst liegen.
- «Nein» sagen: Lernen Sie, Grenzen zu setzen, wenn Ihre Kapazität erschöpft ist.
- To-do-Listen und Zeitmanagement: Planen Sie Ihren Tag und setzen Sie Zeitlimits für Aufgaben, um Überlastung zu vermeiden.
Work-Life-Balance
- Grenzen setzen: Trennen Sie berufliche und private Zeit voneinander. Halten Sie sich an feste Arbeitszeiten.
- Ruhe- und Erholungszeiten: Planen Sie regelmässige Pausen ein, um Ihre Energie zurückzugewinnen.
- Hobbys pflegen: Investieren Sie Zeit in Aktivitäten, die Ihnen Freude bereiten und Stress abbauen.
Entspannungstechniken
- Atemübungen: Nutzen Sie tiefe Atemtechniken, um sich bei Anspannung zu beruhigen.
- Achtsamkeit: Praktizieren Sie Achtsamkeit und Meditation, um Stress zu reduzieren.
- Progressive Muskelrelaxation (PMR): Hier werden einzelne Muskelgruppen gezielt angespannt und wieder entspannt. Für die einfache Technik finden sich zahlreiche Anleitungen online.
Soziale Unterstützung
- Gespräche: Sprechen Sie mit Freunden, Familie oder Kolleginnen über Ihre Herausforderungen.
- Verantwortung abgeben: Übertragen Sie wenn möglich einzelne Aufgaben, um Ihre Belastung zu verringern.
Körperliche Aktivität
- Regelmässige Bewegung: Integrieren Sie körperliche Aktivitäten in Ihren Alltag, um Ihre Gesundheit zu fördern.
- Aktivitäten im Freien: Verbringen Sie Zeit in der Natur, um Ihre Stimmung zu heben.
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