Der psychologische Berater und Schema-Coach Amel Rizvanovic führt gemeinsam mit Felizitas Ambauen eine Praxis in Nidwalden und bietet Beratung, Workshops und Seminare an. Einige seiner Schwerpunkte sind die Positive Psychologie sowie die Schema-Arbeit beim Coaching von Einzelpersonen, Paaren und Eltern sowie das Persönlichkeitsstärken-Training.
Amel Rizvanovic, sind wir nicht alle irgendwie «anders»?
Ja, definitiv! Jeder von uns ist doch auf seine Weise ein eigenartiges, unvollkommenes und verletzliches Wesen, das sich einerseits besonders und gesehen fühlen möchte – andererseits aber auch das Bedürfnis hat, dazuzugehören. Doch was als «normal» und was als «anders» gilt, bestimmen meist gesellschaftliche und kulturelle Normen. Hinzu kommen Rollenbilder und die Gebote und Verbote aus der eigenen Herkunftsfamilie.
Was als «normal» und was als «anders» gilt, bestimmen meist gesellschaftliche und kulturelle Normen.
Warum kann Anderssein mit Scham verbunden sein?
Wenn unsere Anderssein als minderwertig angesehen wird. Zum Beispiel, wenn wir aufgrund unserer sexuellen Identität, Hautfarbe, Religion, Bildung oder Körperform diskriminiert werden. Wir können eine Art von Scham entwickeln, wenn unser Aussehen, Denken, Fühlen oder Handeln von den gängigen Normen abweicht.
Was macht diese Angst vor Ablehnung mit uns?
Ausgrenzung und Abwertung können dazu führen, dass wir uns in verschiedenen Situationen fremd, unpassend, unzulänglich und unverstanden fühlen. Das Gefühl von Zugehörigkeit und Wertschätzung ist jedoch ein menschliches Grundbedürfnis. Genau wie das nach Selbstwirksamkeit und Autonomie. Wir müssen diese Bedürfnisse in eine für uns stimmige Balance bringen.
Wie gehe ich mit möglichen Vorurteilen um?
Ein gutes Motto ist: Pick your fights! Welche Konflikte oder Auseinandersetzungen wollen wir mit welchen Menschen wirklich führen? Nicht jedes Problem ist es wert, Energie und Zeit zu investieren. Entscheidender als das, was andere über uns sagen, ist das, was wir selbst denken und fühlen: Habe ich gelernt, mein Anderssein als Teil von mir zu akzeptieren und zu schätzen?
Nicht jedes Problem ist es wert, Energie und Zeit zu investieren.
Wieso kämpfen wir so viel mit uns selbst, wenn wir «anders» sind oder anecken?
Oft übernehmen wir Glaubenssätze aus unserer Herkunftsfamilie und unserem sozialen Umfeld. Sie wirken wie innere Kritiker oder Richter, die uns unbewusst steuern. Beispiele für solche Glaubenssätze sind: «Du darfst auf keinen Fall auffallen!» oder «Was sollen die Leute denken?». Die Auseinandersetzung mit meiner Andersartigkeit erfordert auch ein Hinterfragen dieser verinnerlichten, toxischen Glaubenssätze.
Wie kann ich mutig zu meiner Individualität stehen und meinen eigenen Weg gehen?
Mut bedeutet nicht, keine Angst zu haben, sondern sie zu überwinden. Es geht um die Frage, wie wir besser mit unseren Ängsten umgehen können, ohne dass sie uns lähmen oder uns das Leben verbauen, das wir eigentlich führen möchten.
Es ist ein langer, aber lohnender Prozess, sich selbst und die eigenen Bedürfnisse besser kennenzulernen und herauszufinden, was einem wichtig ist. Ein Patentrezept gibt es dafür nicht. Ich empfehle auch Gedankenexperimente: Was würde ich tun, wenn ich frei von Ängsten wäre? Was würde ich mir wünschen, wenn ich drei Wünsche frei hätte? Wenn mein Leben in zehn Jahren so verläuft wie erträumt – wie sieht es dann aus? Mein Tipp: alles möglichst bildhaft aufschreiben – oder eine Collage machen.
Denkanstösse: Den eigenen Weg finden
Oft stecken wir in Alltagsroutinen fest und tun Dinge, weil «man» es eben so macht – obwohl unsere Bedürfnisse anders sind. Wie können wir gesellschaftliche Erwartungen hinter uns lassen und unseren eigenen Weg finden? Denkanstösse von Amel Rizvanovic.
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Üben Sie Selbstreflexion
Lernen Sie sich besser kennen, schreiben Sie Tagebuch oder Gedankenprotokolle – und formulieren Sie Ihre Bedürfnisse.
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Erkennen Sie Rollenbilder und Normen
Welche haben Sie durch Ihre Prägung verinnerlicht – und was davon ist Ihnen wirklich wichtig – was nicht?
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Hinterfragen Sie Ihren inneren Kritiker
Lernen Sie Ihre unbewussten Glaubenssätze kennen. Wie beeinflussen diese Ihre Sichtweise? Wo sind sie hinderlich?
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Suchen Sie Gemeinschaft
Mit welchen Menschen fühlen Sie sich wohl? Vielleicht finden Sie eine Gruppe von Menschen, die ähnliche Erfahrungen machen wie Sie?
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Gehen Sie Konflikte gezielt an
Kämpfen Sie die Kämpfe, die Ihnen besonders am Herzen liegen und mit denen Sie einen Unterschied machen können. Fragen Sie sich: Was kann ich kontrollieren, was beeinflussen – und was entzieht sich sowohl meiner Kontrolle als auch meinem Einfluss, sondern erfüllt mich mit Sorge?
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Gehen Sie auf Gedankenreise
Stellen Sie sich vor, wie Ihr Leben aussehen würde, wenn Sie keine Angst oder Scham hätten.
Wie finde ich heraus, was mir guttut?
Wann bin ich glücklich? Bei welchen Tätigkeiten bin ich ganz bei mir? Amel Rizvanovic rät, sich selbst besser kennenzulernen und herauszufinden, was einem wirklich wichtig und nicht verhandelbar ist. Doch achtsam für die eigenen Bedürfnisse bleiben und eine gute Selbstfürsorge pflegen: Wie geht das?