«Luis geht es gut, er ist 18 Jahre alt und macht im Sommer die Matura», sagt Nannette Keller. Das Leben ihres Sohnes ist so unbeschwert wie es in der Schlussphase des Gymnasiums halt sein kann. Doch keine aktuelle Sorge wiegt so schwer wie das, was die Familie vor gut 10 Jahren durchgemacht hat: 2012 erhält der 8-jährige Luis die Diagnose Leukämie

Nannette «Nana» Keller ist die Mutter von Luis, der mit acht Jahren an Leukämie erkrankte. 2016 rief sie Nanas Lunchbox ins Leben und verschafft damit Familien in schwierigen Zeiten Momente der Normalität.

Was bedeutet die Diagnose Blutkrebs?

Nannette Keller kann sich noch genau an die Besprechung im Inselspital erinnern: «Das Wort Leukämie war uns geläufig, aber was die Diagnose genau bedeutete, wussten wir nicht.» Zwei Jahre soll die sofort eingeleitete Therapie dauern. Luis erhält einen genauen Plan, auf dem jede Chemotherapie-Behandlung auf den Tag genau eingetragen ist. «Die Zukunft sah auf den ersten Blick gut strukturiert aus», so Keller, doch das erweist sich rasch als Trugschluss. Denn wenn es Luis nicht gut geht, müssen die Termine verschoben werden. «Das Gegenteil ist eingetreten, unser Alltag war komplett unplanbar. In so einer Situation verliert man sehr viel Kontrolle über sein Leben.»

Das Gegenteil ist eingetreten, unser Alltag war komplett unplanbar. In so einer Situation verliert man sehr viel Kontrolle über sein Leben.

Die Familie braucht mehr Aufmerksamkeit – die Mutter kündigt

Luis verbringt viel Zeit im Spital. Die Chemotherapie kostet Energie und schaltet sein Immunsystem weitgehend aus, wodurch an sich harmlose Infekte schnell gefährlich werden. Mit modernen Therapiemethoden überleben heute vier von fünf Kindern die Leukämie. Doch bei Luis ist es mehr als nur einmal knapp. Und dann sind da noch seine Schwestern. Die zehnjährige Anna geht normal zur Schule, macht sich aber Sorgen um ihren Bruder. Und Emily muss mit ihren drei Jahren so oft mit ins Spital, dass sie denkt, sie gehe dort in die Spielgruppe. Nannette Keller wird schnell klar, dass sie mehr Zeit für ihre Familie braucht und kündigt ihre geliebte Stelle als Arbeitspsychologin bei der SBB.

Das ganze Umfeld hilft mit

«Ich kümmerte mich vor allem um Luis, mein Mann war nach seiner Arbeit für die Töchter da», fasst Nannette Keller die Arbeitsteilung zusammen. Ohne externe Unterstützung wäre es aber nicht gegangen. Die Grosseltern kümmern sich oft um die beiden gesunden Kinder und kochen für die ganze Familie. Auch Nachbarn bringen immer wieder spontan Essen vorbei und ermöglichen gemeinsame Mahlzeiten, die den Kellers viel bedeuten: «Wir verbrachten die Tage oft in verschiedenen Welten und waren hektisch unterwegs. Beim Essen aber sassen wir als Familie zusammen, konnten uns gegenseitig aus unserem Alltag erzählen und gemeinsam lachen.»

Wie ich Familien mit schwerkranken Kindern unterstützen kann - Tipps von Nana

Die optimale Unterstützung sieht für alle anders aus. Nannette Keller erzählt, was ihrer Familie persönlich am meisten geholfen hat.

  1. Verständnis zeigen

    «In den ersten Tagen habe ich gemerkt, dass ich ständig am Handy hing, um alle zu informieren. Dabei lag neben mir ein krankes Kind, das Aufmerksamkeit brauchte. Also habe ich das Handy weggelegt und war froh, dass unser Umfeld Geduld hatte, wenn eine Antwort mal länger brauchte.»

  2. Kontakt beibehalten

    «Manche wussten nicht, wie sie mit uns umgehen sollten. Dabei braucht es nicht viel. Ich freute mich über kleine Aufmerksamkeiten wie eine ermutigende Nachricht oder einen Spaziergang, bei dem ich mit jemandem über die Welt ausserhalb des Spitals reden konnte.»

  3. Kinder betreuen

    «Allgemeine Hilfsangebote wie ‹sag, wenn ihr etwas braucht› waren nett. Aber mehr gebracht haben uns konkrete Vorschläge wie ‹Sollen wir uns nächsten Donnerstag um Emily kümmern?› oder ‹Anna kann gerne immer am Dienstag nach der Schule zu uns kommen›.»

  4. Essen vorbeibringen

    «Über Essen haben wir uns wirklich immer gefreut, auch ohne vorherige Absprache. Nachbarn kochten manchmal einfach für uns mit, klingelten dann mit einer warmen Suppe in der Hand oder stellten uns eine Mahlzeit vor die Tür.»

Ein Minimum an Schulalltag während der Krebsbehandlung

Die Schule sei jetzt völlig egal, denkt Nannette Keller zuerst. Und tatsächlich steht der Schulstoff während der Behandlung im Hintergrund. Doch wenn Luis nicht gerade im Spital ist, will er unbedingt in die Schule gehen. «Ich habe zuerst gesagt, er soll sich doch lieber erholen. Aber dann merkte ich schnell, dass die Schule für ihn eine wichtige Form von Normalität ist.» Auch wenn er im Spital ist, halten die Lehrpersonen und seine Klasse den Kontakt aufrecht. Luis kann die Schule anschliessend in seinem Jahrgang weiterführen und verliert kein Jahr.

Unterstützung für schwer kranke Kinder und ihre Familien?

Einmal erfüllt sich der Fussballfan einen besonderen Wunsch. Unterstützt von der Make-a-Wish-Foundation läuft Luis mit den Spielern des FC Bayern München ins Stadion ein. Ein Erlebnis, von dem er lange zehrt. Viel Unterstützung erhalten er und seine Familie auch vom Inselspital. Die Psychoonkologische Betreuung begleitet Betroffene und bietet während der stationären Aufenthalte zum Beispiel eine Musiktherapie. Eine Fachperson geht in Luis’ Schule und erklärt der Klasse genau, was es mit seiner Krankheit auf sich hat. Die Kinderkrebshilfe Schweiz ist eine weitere Anlaufstelle und daneben gibt es private Initiativen – teilweise gegründet von ebenfalls betroffenen Eltern – wie die App Sawera, die Familien von krebskranken Kindern bei der Organisation ihres Alltags unterstützt.

Die Idee: Mahlzeiten für Familien mit kranken Kindern

Auch Nannette Keller möchte anderen Betroffenen helfen und ein Gedanke lässt sie nicht mehr los: Wie schön die gemeinsamen Familienmahlzeiten waren, um deren Zubereitung sie sich im fordernden Alltag nicht kümmern mussten. «Ich ahnte nicht, dass gemeinsam essen so kostbar ist.» Als es Luis wieder besser geht, gründet sie mit zwei Partnerinnen den gemeinnützigen Verein Nanas Lunchbox. Nanas Lunchbox schenkt Familien in schwierigen Zeiten mit einem feinen Familienessen einen Moment der Normalität. Damit erleichtern sie den Alltag von betroffenen Familien und lassen ihre Sorgen und Ängste für einen Augenblick in den Hintergrund rücken. 

Wichtig ist Keller dabei das Persönliche: die liebevolle Zubereitung und Verpackung des Essens, die abwechselnden Überraschungen für die Kinder oder dass jeder Lieferung eine handgeschriebene Nachricht beiliegt. «Zu spüren, dass sich jemand kümmert, tut in diesen Ausnahmesituationen unglaublich gut.»

Zu spüren, dass sich jemand kümmert, tut in diesen Ausnahmesituationen unglaublich gut.

Mahlzeiten bestellen und unterstützen

Nanas Lunchbox liefert schweizweit Mahlzeiten, um Familien in schwierigen Zeiten beim gemeinsamen Essen einen Moment der Normalität zu bieten. Betroffene Familien können die Lunchboxen für sich selbst bestellen oder Gutscheine einlösen, die sie geschenkt bekommen haben. 

Nanas Lunchbox verschenken

Freunde und Angehörige können betroffene Familien unterstützen, indem sie einzelne Mahlzeiten über Nanas Lunchbox verschenken. Noch hilfreicher ist das Tool giveagift auf der Website, mit dem man unter Freunden, am Arbeitsplatz oder in der Schule eine Sammelaktion für mehrere Lunchboxen starten kann.

Nach dem Krebs kehrt die Normalität zurück

Die Krebsdiagnose im Kindesalter wird Luis weiter begleiten, auch wenn seine Erinnerung an die intensivste Zeit schwindet. Er ist in einem Nachsorgeprogramm mit jährlichen Kontrollen. Sein Krebsrisiko ist zwar nicht mehr wesentlich erhöht, aber die Chemotherapie und Bestrahlung können noch Jahre später Folgen haben. Danach sieht es bei Luis bisher nicht aus. Er kann Sport treiben und ein normales Leben führen. Alle hoffen und sind zuversichtlich, dass es keine bösen Überraschungen mehr gibt. Nannette Keller ist trotz des Schicksalsschlags vor zehn Jahren dankbar: «Wir haben dieses eine Mal ein schlechtes Los gezogen, aber danach hatten wir auch immer wieder viel Glück.»

Sind Zusatzversicherungen sinnvoll?

Mehrere Zusatzversicherungen für Kinder bieten Leistungen, die bei schweren Erkrankungen Entlastung bringen: mehr Komfort im Spital, Beiträge an ergänzende Behandlungen oder einen Einmalbetrag, mit dem Sie zum Beispiel bei Invalidität die Wohnung rollstuhlgerecht umbauen können. Neu gibt es von der KPT die Kinderversicherung Teddy, die eine Rente ausbezahlt, wenn ein Kind an Krebs erkrankt.

Leistungsklasse 1

CHF 2000.– Rente pro Monat, während 12 Monaten
Prämie: CHF 1.90

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