Verschiedene wissenschaftliche Studien haben sich in jüngerer Zeit mit der Frage auseinandergesetzt, ob eine intensivierte Patienteninformation vor chirurgischen Eingriffen den Heilungsprozess beschleunigt. Das Resultat scheint eindeutig: Je genauer Patienten über die erlittene Krankheit oder Verletzung Bescheid wissen, desto leichter können sie die medizinischen Massnahmen nachvollziehen. Dies wiederum wirkt sich positiv auf den Heilungsverlauf aus: Spitalaufenthalte sind um Tage kürzer, die Patientenzufriedenheit ist insgesamt höher. In der Summe bedeutet das: Mit guter Patientenaufklärung lassen sich die Kosten senken, gemäss einer Studie zu Gelenkoperationen um mehr als 25 Prozent.
Aus 2D-Bildern wird 3D-Ansicht
Das Ziel, die Patienteninformation zu verbessern, verfolgt auch ein Pilotprojekt in Zürich. Hier bereitet das Medizinisch-Radiologische Institut (MRI) in Zusammenarbeit mit der Schweizer Softwarefirma Augment IT by Netcetera neuerdings Computertomografie- und Magnetresonanztomografie-Bilder (CT- bzw. MRT-Scans) zu 3D-Dateien auf. Schichtweise aufgenommene Knochen und Gelenke werden dadurch räumlich wahrnehmbar.
Mitinitiiert hat das Pilotprojekt Dr. Oliver Kessler vom Zentrum für Orthopädie & Sport in Zürich. Er setzt die gelieferten 3D-Daten in seiner Praxis im Patientengespräch ein. Entweder schlicht als 3D-Ansicht auf dem Tablet oder indem er die Patienten durch eine Mixed-Reality-Brille blicken lässt. Dabei kann zum Beispiel ein verletzter Knochen direkt auf das betroffene Körperteil projiziert werden. Für die Betrachter ergibt sich daraus ein echtes Mixed-Reality-Erlebnis: ein mit digitalen Informationen angereicherter Blick auf die reale Umwelt.
Wenn der Arzt plötzlich verstanden wird
«Durch die Brille hindurchschauen und das Körperinnere in 3D sehen, das ist zunächst mal überwältigend», sagt Kessler. Ihm als Arzt erleichtere die dritte Dimension vor allem die Aufklärungsarbeit gegenüber den Patienten: «Was ich ihnen über einen erlittenen körperlichen Schaden und die vorgesehene Operation erkläre, können sie viel leichter erkennen und verstehen, als wenn ich dies anhand von zweidimensionalen Scans und Röntgenbildern tue und mich dabei selten wirklich verständlich machen kann.»
Kessler kann bestätigen, was die eingangs erwähnten Studien aufgezeigt haben: «Eine anschauliche Information hilft mit, Unsicherheiten und Ängste vor einem chirurgischen Eingriff zu verringern. Das erhöht die Chance auf eine erfolgreiche Operation und einen besseren Heilungsverlauf mit kürzeren Spitalaufenthalten und weniger Komplikationen.» Unter dem Strich, so Kessler, gehe die Rechnung auf: «Ein besseres Verständnis der Ausgangslage führt zu tieferen Gesamtkosten pro Patient.» Allerdings ist die Anzahl Anwendungen von 3D-Umrechnungen noch zu klein, um verlässliche Aussagen machen zu können. Derzeit steht denn auch im Vordergrund, die Akzeptanz der noch relativ jungen Technologie und ihre Anwendungsmöglichkeiten mit den Patienten zu testen.
Mitten in der Entwicklungsphase
Jedes Umrechnen von geschichteten CT- und MRT-Scans zu einem 3D-Bild generiert beim aktuellen Entwicklungsstand noch viel Aufwand. «Vor allem bei den komplexen MRT-Scans müssen wir am 3D-Bild Nachbearbeitungen mit dem Computer vornehmen, für die wir nur in Einzelfällen ausreichend Ressourcen haben», sagt Dr. Michael Fischer vom Medizinisch-Radiologischen Institut Zürich.
Reto Grob vertritt im Projekt die Augmented-Reality-Entwickler von Augment IT by Netcetera. Er weiss, wo der Schuh drückt: «Damit die Lösung über das Pilotprojekt hinaus bei einer breiten Ärzteschaft akzeptiert wird, müssen wir das Errechnen des 3D-Bilds vollständig automatisieren. Daran arbeiten wir. Das Zielbild haben wir vor Augen, und bis wir es erreichen, ist es nur noch eine Frage der Zeit. Mit CT-Scans funktioniert die Umwandlung schon relativ gut, bei den MRTs sind wir noch nicht ganz so weit.»
Alle drei – der Radiologe, der Orthopäde und der Softwareentwickler – sind überzeugt: Sobald sich die 3D-Ansichten automatisch erstellen lassen, wird sich die Technologie durchsetzen. Weitere Ärzte werden mitziehen, andere Institute und Spitäler sich anschliessen. Der Patienteninformation mithilfe von Mixed Reality gehört die Zukunft.
Nachgefragt bei Dr. Michael Fischer vom Medizinisch-Radiologischen Institut Zürich
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Der aufgeklärte Patient gesundet schneller. Handelt es sich dabei um einen Placebo-Effekt?
Fischer: Natürlich spielt, wie beim Placebo, die Psyche eine Rolle. Aber es handelt sich hier nicht um eine Scheinbehandlung. Vielmehr gehen wir davon aus, dass Patienten, die gut informiert sind, sich mit Überzeugung auf eine Behandlung einlassen. Sie sind auch motivierter, ärztliche Vorgaben für die Therapie zu befolgen. Wir nennen das Therapietreue oder gute Compliance. Wenn die Einstellung stimmt, regeneriert der Körper besser.
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Heilung ist also Kopfsache?
Es geht um die Eigenverantwortung der Patienten. Die ist wichtig für den Heilungsprozess. Sie wahrzunehmen, fällt leichter, wenn die medizinischen Abläufe verständlich sind. Das beginnt mit dem Gefühl, den Ärzten und ihren Empfehlungen nicht einfach ausgeliefert zu sein, sondern sich bewusst für eine Behandlung entscheiden zu können.
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Inwiefern ist Mixed Reality dabei eine Hilfe?
Sie – und die dritte Dimension allgemein – ist unserer Lebenswirklichkeit näher. Wie Röntgenbilder sind auch Schicht für Schicht angefertigte 2D-Schnittbilder für Normalbürger schwierig zu lesen. Wenn sie aber zu einem 3D-Bild kombiniert werden, entsprechen sie unserem Vorstellungsvermögen.
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