Wachsende Nasen oder Brüste, spriessende Körperhaare und Bibeli: Während der Pubertät sind die körperlichen Veränderungen offensichtlich. Bei Mädchen beginnt sie meist zwischen dem 8. und 13. Lebensjahr, bei Jungen zwischen dem 9. und 14. und zieht sich dann über mehrere Jahre hin.

Was passiert während der Pubertät im Gehirn?

Es ist eine Grossbaustelle – hier einige Erklärungen für das Gefühlschaos beim Teenie:

  • Das limbische System, das die Emotionen steuert, entwickelt sich zuerst weiter. So kommt es zu Stimmungsschwankungen. Jugendliche reagieren spontan und impulsiv.
  • Das Hirn schüttet weniger «Belohnungshormon» Dopamin aus, weshalb Teenies Risiken eingehen und den «Kick» suchen: auf Partys, beim Gamen oder Experimenten mit Substanzen aller Art.
  • Die Ausschüttung des Müdemachers Melatonin verschiebt sich nach hinten und sorgt für unausgeschlafene Übellaunigkeit am Frühstückstisch.
  • Veränderungen der Oxytocin-Rezeptoren im Gehirn machen Jugendliche selbstbewusster und experimentierfreudig, auch in Bezug auf neue Freundeskreise oder ihr Äusseres.
  • Der Bereich des Gehirns, der für die Impulskontrolle und das langfristige Planen zuständig ist, reift erst viel später, etwa mit 21 Jahren, vollständig aus.
Claudia Mollet

Claudia Mollet, MAS Sexuelle Gesundheit im Bildungs-, Gesundheits- und Beratungsbereich, arbeitet im Bereich der Sexualpädagogik und in der Beratung. Sie ist Mutter von zwei Kindern im Alter von 16 und 20 Jahren.

Es ist anspruchsvoll, eine gute Balance zwischen Fürsorge und Loslassen zu finden»

Claudia Mollet, was beschäftigt Jugendliche während der Pubertät besonders?

Jugendliche streben nach Unabhängigkeit, nach Selbstverwirklichung und Akzeptanz durch Gleichaltrige. Sie erleben emotionale Achterbahnfahrten und Unsicherheiten durch körperliche Veränderungen. Auf der Suche nach der eigenen Identität spielt auch die Abgrenzung von den Eltern eine grosse Rolle, was diese nicht selten als Kontroll- und Liebesverlust empfinden.

Wie kann ich als Vater, Mutter oder Bezugsperson das Kind in diesen emotionalen Turbulenzen unterstützen?

Der Übergang vom Anleiten zum Begleiten ist ein Prozess, der Übung braucht. Es ist anspruchsvoll, eine gute Balance zwischen Fürsorge und Loslassen zu finden. Zeigen Sie Verständnis und Interesse. Gestehen Sie dem Kind Raum für seine Entwicklung zu. Pflegen Sie auch die eigene Selbstfürsorge, um in dieser aufwühlenden Zeit nicht selbst den Boden unter den Füssen zu verlieren.

Pflegen Sie auch die eigene Selbstfürsorge, um in dieser aufwühlenden Zeit nicht selbst den Boden unter den Füssen zu verlieren.

Sollen Eltern Grenzen setzen?

Altersgerechte Regeln geben den Heranwachsenden die nötige Sicherheit und Orientierung. Grenzen müssen immer wieder neu verhandelt werden. Am besten bezieht man die Jugendlichen in Entscheidungsprozesse ein. Jugendliche können Vereinbarungen oft besser nachvollziehen, wenn sie verstehen, welche Bedürfnisse oder Ängste der Erwachsenen dahinterstehen.

Wie bleibe ich mit meinem Teenie im Dialog?

Gehen Sie Konflikten nicht aus dem Weg. Bleiben Sie auch in schwierigen Zeiten verlässlich, ansprechbar und präsent. Wichtige Gespräche ergeben sich oft unverhofft: abends am Küchentisch, beim Zähneputzen oder während einer Autofahrt. Wenn es darum geht, Probleme anzusprechen, empfehle ich immer eine «Eins-zu-eins Situation». Schwierige Gespräche werden nicht einfacher, wenn zwei Erwachsene auf ein Kind einreden.

Wichtige Gespräche ergeben sich oft unverhofft: abends am Küchentisch, beim Zähneputzen oder während einer Autofahrt.

Wie kann ich mit dem Kind über Aufklärung und Sexualität sprechen?

Nicht allen Bezugspersonen ist wohl dabei, mit den Kindern über solche Themen zu sprechen. Seien Sie authentisch. Hören Sie aufmerksam zu, wenn Fragen aufkommen. Es ist wichtig, Kinder und Jugendliche zu ermutigen, den eigenen Körper kennenzulernen und selbstbestimmt Grenzen zu setzen.

Und wenn das Kind keine Lust hat, mit mir darüber zu reden?

Das gilt es zu respektieren – die meisten Eltern von Heranwachsenden erleben das ähnlich. Vielleicht möchte das Kind lieber selbst in einem Aufklärungsbuch schmökern oder auf einer Aufklärungsseite im Internet surfen.

Was hilft Jugendlichen bei der Entwicklung eines positiven Körperbilds?

Durch den vorgelebten Umgang mit Körperthemen werden positive oder auch negative Körperbilder schon lange vor der Pubertät angelegt. Leben Sie ein gesund-genussvolles Ess- und Bewegungsverhalten vor. Vermeiden Sie Kritik an Äusserlichkeiten. Gerade in der Pubertät gehen Vorstellungen von Schönheitsidealen oft stark auseinander.

Kommunikationstipps für Eltern und Bezugspersonen

Auch wenn Ihr Teenie schmollt, wütet oder gerade gar keine Lust hat, mit Ihnen zu reden: Versuchen Sie, gelassen zu bleiben und ein offenes Ohr zu behalten. Die Stimmungsschwankungen der Kinder richten sich nicht gegen Sie – sondern sind Teil des Entwicklungsprozesses.

  1. Wertschätzung zeigen

    Geben Sie positives Feedback: Richten Sie den Fokus auf die Dinge, die funktionieren, und zeigen Sie dies mit einer Umarmung, einem Schulterklopfen oder einem einfachen «Dankeschön».

  2. Raum für Gespräche bieten

    Machen Sie Gesprächsangebote, vermeiden Sie ungebetene Kommentare, Ratschläge oder ständiges Nachfragen. Anstatt: «Was hast du heute gemacht?» besser: «Wenn du Lust hast zu erzählen, höre ich dir gerne zu.»

  3. Aktiv zuhören

    Hören Sie aufmerksam zu: Ein Kopfnicken oder ein bestätigendes «Ja» verdeutlicht Ihr Interesse.

  4. Ich-Botschaften aussenden

    Kommunizieren Sie mit Ich-Botschaften und vermeiden Sie allgemeine Vorwürfe mit «du» und den Worten «immer» und «nie». Anstatt: «Du kommst immer zu spät!» ist zielführender: «Ich bin besorgt, wenn ich nicht weiss, wann du nach Hause kommst. Bitte halte dich an die abgemachten Zeiten».

  5. Verhalten statt Personen bewerten

    Kritisieren Sie das Verhalten und nicht die Person. Anstatt «Du bist so chaotisch» sich auf Konkretes beziehen: «Ich sehe, du hast die Sportsachen noch nicht weggeräumt.»

  6. Ehrlich kommunizieren

    Benennen Sie Ihre Gefühle wie Unsicherheit «Das weiss ich jetzt gerade auch nicht...». oder Wut: «Ich bin im Moment richtig wütend – ich brauch eine Pause an der frischen Luft, um mich zu beruhigen!» Und geben Sie Fehler zu: «Es tut mir leid, dass ich dich gestern im Streit angebrüllt habe.»

  7. Respektvoll streiten

    Versuchen Sie auch in Konfliktsituationen respektvoll zu bleiben: Lassen Sie ihr Kind ausreden und unterbrechen Sie es nicht. Nach einem Streit zuerst «abkühlen» und erst nach einer Weile – ein paar Stunden oder sogar Tage – nochmals sachlich über den Konflikt oder den Auslöser reden.

Nützliche Websites

Fühlen Sie sich für alle familiären Belange verantwortlich?

Die Pubertät kann eine echte Herausforderung darstellen. Und zwischen Streit übers Taschengeld, dem Jonglieren von Zahnarztterminen und dem Haushaltsmanagement kann einem auf Dauer die Puste ausgehen. Das Stichwort hier ist Mental Load, eine unsichtbare, aber sehr reale psychische Belastung.

Raus aus der Mental-Load-Falle!

Im Interview mit Psychotherapeutin Chow Ling Prager werfen wir einen Blick auf das Phänomen des Mental Load, das mit der Organisation des Familienlebens einhergeht. Erfahren Sie, wie sich diese Belastung auswirken kann und entdecken Sie Tipps, wie Sie den Mental Load leichter bewältigen können.