Wie viel Wasser pro Tag muss ich trinken? Diese Frage wird Prof. Philipp Schütz oft gestellt. Klar ist: Es muss genug sein, um den Flüssigkeitsbedarf des Körpers zu decken. Unter anderem für die Zellproduktion, den Transport von Nährstoffen und die Regulierung der Körpertemperatur. Flüssigkeitsaufnahme und -ausscheidung – über Urin, Stuhl, Schweiss und Atmung – müssen ausbalanciert sein. Und sonst? Im Faktencheck räumt der Experte mit Mythen und Halbwahrheiten auf. 

Prof. Philipp Schütz ist Leiter der Medizinischen Universitätsklinik am Kantonsspital Aarau sowie Chefarzt der Medizin und Endokrinologie und Präsident der Eidgenössischen Ernährungskommission (EEK).

Mythos 1: «Man sollte mindestens 2 bis 3 Liter pro Tag trinken.» 

Nein. Es ist nicht möglich, für alle Menschen eine feste Trinkmenge vorzuschreiben, denn der Wasserbedarf ist individuell verschieden. Faktoren wie Geschlecht, Gewicht, körperliche Aktivität, Arbeit, Schwitzen, Jahreszeit und Gesundheitszustand spielen eine Rolle. So haben grosse Menschen eine grössere Hautoberfläche und verlieren dadurch mehr Wasser. Schwangere Frauen haben durch die Hormonumstellung und die Gewichtszunahme einen erhöhten Wasserbedarf. Auch die Atemfrequenz, der Stoffwechsel und sogar genetische Faktoren beeinflussen unseren Flüssigkeitsbedarf.

Mythos 2: «Wenn man durstig ist, hat man schon ein Wasserdefizit.»  

Nein. Generell ist es gut, zu trinken, wenn man Durst verspürt, denn der Körper hat ein intelligentes System, um seinen Flüssigkeitsbedarf zu signalisieren.

Mythos 3: «Kopfschmerzen und Müdigkeit sind Anzeichen von Dehydratation.» 

Das kann sein, muss aber nicht: Müdigkeit und Kopfschmerzen sind sehr allgemeine Symptome, die auch andere Ursachen haben können. Trockene Schleimhäute sind aber ein deutliches Zeichen. Bei starkem Flüssigkeitsmangel können verschiedenste Symptome auftreten: von Muskelkrämpfen bis hin zu Verstopfung. Wenn auf Dauer zu wenig getrunken wird, kann dies zu gesundheitlichen Problemen wie Nierensteinen führen. 

Mythos 4: «Babys und Kleinkinder sind besonders durch Dehydratation gefährdet.» 

Ja, und vor allem im Sommer. Bei Babys ist schlaffe Haut ein deutliches Zeichen dafür, dass sie zu wenig getrunken haben. Und natürlich eine trockene Windel! Kleinkinder vergessen oft beim Spielen zu trinken. Hier ist es gut, immer ein Getränk dabei zu haben und anzubieten. Bei Kindern mit Durchfall oder Erbrechen muss besonders gut auf eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr geachtet werden, da dies sonst dramatische Folgen haben kann.

Mythos 5: «Ältere Menschen trinken oft zu wenig.» 

Ja, tatsächlich ist das natürliche Durstgefühl bei älteren Menschen häufig gestört. Wenn zusätzlich Medikamente eingenommen werden, zum Beispiel zur Entwässerung, kann es zu einem Flüssigkeitsmangel kommen.

Mythos 6: «Am besten, man setzt sich ein Ziel für die Trinkmenge am Tag.» 

Das ist eine gute Idee, wenn man dazu neigt, das Trinken zu vergessen. Man kann sich zum Beispiel vormittags und nachmittags je einen Krug oder eine Flasche Wasser hinstellen und sich vornehmen, sie zu leeren. Ältere Menschen können sich ein Beispiel an den Jungen nehmen, die man nie ohne Trinkflasche antrifft: Bei längeren Ausflügen immer etwas zu trinken mitnehmen! 

Mythos 7: «Wenn es heiss ist, soll man lieber warme Getränke trinken.» 

Das ist letztlich Geschmackssache, solange wir überhaupt genug trinken! Wir sind es in unseren Breitengraden eher gewohnt, kalte Getränke oder solche bei Zimmertemperatur zu trinken, was den Körper schnell abkühlt. Trinken wir einen warmen Tee, weiten sich die Gefässe, was die Schweissproduktion anregt und wiederum zur Kühlung des Körpers beiträgt. 

Mythos 8: «Auch über die Ernährung nehmen wir Flüssigkeit auf.» 

Tatsächlich nehmen wir etwa 30 Prozent unseres Flüssigkeitsbedarfs durch die Nahrung auf. Gerade im Sommer können wir das steuern: Essen wir Obst und Gemüse wie Gurke, Wassermelone oder Erdbeeren, tun wir schon viel für unsere Hydration. Besonders ältere Menschen, die möglicherweise weniger trinken, können viel über die Ernährung beeinflussen. 

Mythos 9 «An der Urinfarbe ist zu erkennen, ob genug getrunken wird.» 

Das klingt zwar ein wenig unappetitlich, ist aber richtig. Ist der Urin konzentriert dunkelgelb, wird zu wenig Flüssigkeit aufgenommen. Ist er ganz durchsichtig, trinken wir womöglich zu viel.

Mythos 10: «Zuviel Wasser kann man gar nicht trinken.» 

Irrtum. Trinken wir zu viel freies Wasser – also Wasser ohne Mineralstoffe und Salze – kann dies zu einer sogenannten Wasservergiftung führen. Wenn wir Sport treiben und durch das starke Schwitzen viele Mineralstoffe und Salze verlieren, muss das ausgeglichen werden. Sonst verdünnt sich das Blut, was zu einem Hirnödem führen kann. Hier gibt es immer wieder Todesfälle, vor allem bei nicht-professionellen Marathonläufern. 

Mythos 11: «Wer Extremsport betreibt, darf nicht nur Wasser trinken.» 

Ja. Wer einen Marathon läuft und nur Wasser trinkt, riskiert ein Ungleichgewicht im Elektrolythaushalt, besonders einen Natriummangel. Neben Übelkeit oder Muskelkrämpfen kann dies zu lebensbedrohlichen Zuständen führen. 

Mythos 12: «Zu jedem alkoholischen Getränk soll man ein Glas Wasser zu sich nehmen.» 

Das ist sicher eine sehr gute Idee. Denn Alkohol ist ein Diuretikum, das die Flüssigkeitsausscheidung erhöht. Ein «Zwischenwasser» kann das Trinktempo reduzieren und dazu beitragen, dass man insgesamt weniger Alkohol zu sich nimmt – und so auch einem Kater am Morgen danach vorbeugt. 

Mythos 13: «Kaffee trocknet aus.» 

Diese Annahme ist weit verbreitet. Aktuelle Studien zeigen jedoch, dass ein moderater Kaffeekonsum von bis zu drei Tassen keinen signifikanten Einfluss auf den Flüssigkeitshaushalt des Körpers hat.

Wie motiviere ich mich, mehr zu trinken?

  1. Sich ein Tagesziel setzen

    Definieren Sie klare und erreichbare Ziele für Ihre tägliche Wasseraufnahme. Zum Beispiel können Sie sich vornehmen, eine bestimmte Anzahl von Gläsern oder Flaschen pro Tag zu trinken.

  2. Dran denken – per Handy, Post-it, App

    Setzen Sie sich Erinnerungen für das Trinken: zum Beispiel einen Vibrations-Alarm auf dem Fitnesstracker, Wassergläser zum Ausmalen im Wochenplaner oder Post-ist an bestimmten Orten. Es gibt auch zahlreiche Apps hierfür, zum Beispiel die Lama-App.

  3. Immer Wasser dabeihaben

    Nehmen Sie immer eine Wasserflasche mit, wenn Sie unterwegs sind. Deponieren Sie einen Wasservorrat im Auto. Stellen Sie zu Hause gut sichtbar einen Wasserkrug hin. 

  4. Geschmack reinbringen

    Wenn Ihnen normales Wasser langweilig wird, variieren Sie den Geschmack zum Beispiel mit Zitronensaft, Gurkenscheiben oder einem Zweig Minze, um es aufzupeppen.

  5. Bouillon trinken

    Gerade bei Hitze ist es für den Natriumhaushalt auch wichtig, auf Salze zu achten. Eine Tasse Bouillon ergänzend zum Znacht liefert Flüssigkeit und Salz zugleich. 

  6. Flüssigkeit essen

    Wenn Ihnen das Wasser zum Hals raushängt: Essen Sie Gurke, Wassermelone, Tomate – Gemüse und Früchte aller Art: Auch über die Ernährung lässt sich der Flüssigkeitshaushalt regulieren.  

Genug trinken: So klappt’s

Trinken wir zu wenig Wasser, fühlen wir uns schlapp – und langfristig gefährden wir mit einer zu geringen Flüssigkeitsaufnahme unsere Gesundheit. Eine App kann ans Trinken erinnern.

Lama-App: Lustige Trinkerinnerung

Wer sein Trinkverhalten kontrollieren und dabei noch Spass haben möchte, sollte die Lama-App ausprobieren: Hier füllt man mit jedem Glas niedliche Tieravatare farbig aus.

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