Anke Scherer hat 2016 eine Ausbildung als Wassersommelière abgeschlossen, weil sie durch ihre Arbeit in der Gastronomie erfahren hat, wie Wasser auch den Genuss anderer Getränke beeinflusst. Sie arbeitet in einem Catering-Unternehmen, berät Restaurants bei der Zusammenstellung ihrer Getränkekarte und führt Wasserdegustationen durch.

«Manche halten mich für verrückt», sagt Anke Scherer. Warum? Die Wassersommelière hat meist etwa fünf verschiedene Sorten Mineralwasser zu Hause. Denn Wasser trinkt sie je nach Lust und Bedürfnis – und passend zu dem, was sie gerade isst. «Wasser ist Geschmackssache», sagt die Expertin. Tatsächlich? Welche Unterschiede gibt es? Und wie sieht es mit dem Hahnenwasser aus?

Das Hahnenwasser hat in der Schweiz eine sehr gute Qualität.

Hahnenwasser: gesund und günstig

«Ich trinke auch oft Hahnenwasser», sagt Anke Scherer. Grundsätzlich hat das Wasser, das in der Schweiz aus der Leitung kommt, eine sehr gute Qualität. Aufbereitet und streng auf Reinheit kontrolliert stammt es aus Schweizer Quellen, Seen und dem Grundwasser: frisch und gesund. «Wer den Geschmack seines Leitungswassers nicht mag, kann es mit einem Wasserfilter versuchen», empfiehlt Anke Scherer. Gerade beim Kaffeekochen kann, das einen grossen Unterschied machen. Sie aromatisiert Hahnenwasser gerne zur Abwechslung mit frischen Früchten oder frischer Minze. 

Auch Leitungswasser enthält Mineralien, allerdings in unterschiedlichen Anteilen, da es aus mehreren Quellen gemischt wird. Manche Trinkwasserversorger geben an, wie ihr Wasser mineralisiert ist (unter www.trinkwasser.ch). Tendenziell ist der Gehalt an Calcium und Magnesium in der Schweiz eher hoch.

Mineralwasser: frisch aus der Quelle

Könnte man dann nicht auch Hahnenwasser als Mineralwasser bezeichnen? Nein, sagt Anke Scherer. Denn was als Mineralwasser bezeichnet werden darf, ist gesetzlich geregelt: Es stammt aus einer vor Verunreinigung geschützten unterirdischen Quelle. Der Mineralgehalt ist konstant, das Wasser muss direkt an der Quelle abgefüllt und darf nicht behandelt werden. Kohlensäure kann jedoch zugesetzt werden. «Und Eisen darf herausgefiltert werden», erklärt Anke Scherer. «Es verfärbt das Wasser und schmeckt unangenehm. Auch Schwefel darf der Abfüller herausfiltern.»

Ein Blick aufs Etikett lohnt sich

Beim Mineralwasser lassen sich deutlich Nuancen herausschmecken: je nach Mineralisierung. «Schauen Sie aufs Etikett auf der Flasche», rät Anke Scherer. «Da steht genau, was drin ist.» Mineralwässer werden nach ihrer Gesamtmineralisation unterschieden. Steht unten auf dem Etikett als Total eine Angabe

  • unter 500 mg ist es ein niedrig mineralisiertes Wasser (zum Beispiel Arkina oder Valser Still)
  • 500 mg bis 1500 mg ist es ein mittel mineralisiertes Wasser (zum Beispiel Appenzeller oder Passugger)
  • über 1500 mg ist es ein hoch mineralisiertes Wasser (zum Beispiel Rhäzünser oder Eptinger)

Welche Mineralien sind enthalten?

Diese sechs wichtigsten Mineralien sind meist auf dem Mineralwasser-Etikett angegeben:

  • Calcium (wichtig für Knochen und Zähne)
  • Magnesium (wichtig für den Energiestoffwechsel, die Muskelfunktion und die Nerven)
  • Natrium (ist das „Salz des Lebens“ und wichtig für die einwandfreie Funktion von Muskeln und Nervenzellen sowie für den Wasserhaushalt des Körpers)
  • Chlorid (wichtig für den Wasserhaushalt des Körpers)
  • Hydrogencarbonat (trägt zur Regulierung des Säurehaushalts bei)
  • Sulfat (unterstützt die Verdauung und Leberfunktion)

«Die Mineralisierung beeinflusst zunächst einmal das Mundgefühl», sagt Anke Scherer. «Probieren Sie es aus, indem Sie einen Schluck in den Mund nehmen. Wasser mit viel Calcium zum Beispiel fühlt sich eher hart an, eines mit viel Sulfat dagegen weicher, irgendwie runder. Unabhängig von der Trinktemperatur kann es auch warm oder kalt wirken. Aber klar: um das herauszuspüren, muss man geübt sein.» 

Der Geschmack hängt von den Gesteinsschichten ab, durch die das Wasser fliesst.

Die Geologie prägt den Geschmack

«Der Geschmack hängt von den Gesteinsschichten ab, durch die das Wasser fliesst. Ist es vulkanisches Gestein oder Muschelkalk?» Wasser mit einem hohen Magnesiumgehalt schmeckt leicht süsslich bis bitter, Wasser mit einem hohen Natriumgehalt salzig. Ein hoher Hydrogencarbonat-Anteil wiederum verleiht dem Wasser eine gewisse Säure. «Das finde ich persönlich erfrischend – und im Sommer besonders gut», sagt Anke Scherer. Ist der Calciumgehalt sehr hoch, schmeckt das Wasser schnell etwas kreidig bis trocken.

Welches Wasser zu welchem Wein, zu welchem Essen?

Als Faustregel empfiehlt die Wassersommelière zu Weisswein ein kohlensäurehaltiges Wasser, zu Rotwein ein stilles Wasser. «Am besten experimentieren», rät die Fachfrau. «Je kräftiger der Wein, desto mehr Mineralien im Wasser verträgt er. Das gilt auch fürs Essen: Zu einem Wildschmorbraten passt ein anderes Wasser als zu einem leichten Fischgericht.»

Mit Mineralwasser den Gaumen neutralisieren

«Bei einem umfangreichen Menu ist es eine gute Idee, zwischen den Gängen ein Mineralwasser mit Kohlensäure und mittlerem Mineralgehalt zu trinken, um den Gaumen zwischendurch zu neutralisieren», empfiehlt die Wassersommelière. So wird der Mund gespült und der Geschmackssinn erfrischt. Und noch einen Tipp verrät Anke Scherer: Zu einem süssen Dessert bietet ein Wasser mit hohem Natriumgehalt – also einer salzigen Note – einen spannenden Kontrast.

Wie sieht es mit der Trinktemperatur aus? 

«Gewöhnlich wird empfohlen, Wasser mit Kohlensäure bei etwa 6 bis 10 Grad zu trinken, stilles Wasser eher bei 12 bis 14 Grad», sagt sie. «Aber auch das ist individuell je nach Vorliebe verschieden.»

Wasser degustieren: So geht’s 

Vielleicht haben Sie Lust, gemeinsam im Freundeskreis oder mit der Familie selbst eine Wasserverkostung durchzuführen und Ihre Geschmacksknospen auf Entdeckungsreise zu schicken?

  1. Verschiedene Wässer bereitstellen

    Nehmen Sie je ein niedrig, ein mittel und ein hoch mineralisiertes Wasser – am besten aus verschiedenen Regionen. Leitungswasser eignet sich weniger.

  2. Trinktemperatur wählen

    Achten Sie darauf, dass die verschiedenen Wässer die gleiche Temperatur haben: Ideal sind etwa 12 Grad.

  3. Den ersten Schluck nehmen

    Beim ersten Schluck das Wasser «spüren». Fühlt es sich im Mund hart oder weich an? Kratzig oder angenehm? Welche Konsistenz hat es? Schlucken.

  4. Den zweiten Schluck schmecken

    Den nächsten Schluck wie einen Wein im Mund hin und her bewegen. Schlucken und einmal über den Mund einatmen. Versuchen Sie, die verschiedenen Geschmacksnuancen herauszuschmecken: süss, salzig, sauer, bitter.

  5. Aufs Etikett schauen und diskutieren

    Was haben Sie geschmeckt? Welche Mineralien sind auf dem Etikett angegeben und in welchen Mengen? Welches Wasser mochten Sie am liebsten? Vergleichen Sie die Mineralisierung mit dem Wasser, das Sie normalerweise trinken.

Kleines Wasserglossar

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